Karlsruher Stimmen I Demokratie und Menschenrechte im Gespräch
Stefan Stoll über die Frage, wie politisch der Sport sein darf, menschenfeindliche Einstellungen in der Kurve und Engagement für Aufklärung
Zur Person
Stefan Stoll (51 Jahre, Beamter) ist Vorsitzender der KSC-Faninitiative Blau-Weiss statt Braun e.V. und seit je her in der Kurve des Wildparks daheim. Für das Engagement gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Diskriminierung in der Fan-Szene erhielt der im Jahr 2000 gegründete Fanclub im Oktober 2024 den Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußballbundes.
Herr Stoll, wir sitzen am Wildpark-Stadion, dem Fußballschauplatz in Karlsruhe. Ganz zu Beginn die kalte Einstiegsfrage: Wie politisch darf der Sport sein?
Das ist eine sehr gute Frage. Meiner Meinung nach gibt es kein unpolitisches Handeln. Was Blau-Weiss statt Braun im Sport macht, ist nicht politisch, sondern einfach nur ein Einstehen für die Menschenrechte. Was wir tun, machen wir aus Liebe zur Demokratie.
Wie kam es denn dazu, dass sich eine Faninitiative gegründet hat, die sich so stark für Demokratie, für Menschenrechte und gegen Diskriminierung einsetzt?
Gegründet haben wir uns 2000, damals war ein ziemlich starker Umbruch in der Szene. Rechte Gruppierungen und Kameradschaften haben in Karlsruhe versucht, die Fanszene zu unterwandern. Dem wollte man einen Gegenpol setzen.
„Unser Problem ist heutzutage, dass Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit an vielen Stellen wieder anfangen, salonfähig zu werden.“
Wo kommen rechte Tendenzen oder grundsätzlich menschenfeindliche Einstellungen im Fußball an die Oberfläche?
Eigentlich in der Kurve, wenn sie entsprechend von Gruppierungen unterwandert ist. Immer wieder sieht man beispielsweise homophobe oder menschenverachtende Plakate und hört solche Äußerungen. In Magdeburg war zum Beispiel jüngst eine Liedzeile einer Neonazi-Band auf einem Spruchband zu lesen. Da muss man dann Aufklärung machen, mit den Leuten sprechen und sie sensibilisieren, auch für Dinge wie die Gesänge, die man anstimmt.
„Erinnerungsarbeit ist deswegen wichtig, sage ich immer, dass man sieht, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden und dass man diese nicht nochmal macht.“
Und für genau dieses Engagement wurde Blau-Weiss statt Braun jetzt der Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußballbundes verliehen, was aus Karlsruher Perspektive sicherlich ganz besonders ist.
Ja, Julius Hirsch war Karlsruher und hat damals beim KFV gespielt. Er war sogar einer der ersten Nationalspieler. Wir haben vor ein paar Jahren ein Banner zur Person Julius Hirsch produziert und es immer wieder an unseren Ständen ausgestellt. Wir wollten einfach auf ihn, seine Lebensgeschichte und sein Engagement aufmerksam machen. Dass der Preis jetzt nach Karlsruhe geht, ist natürlich schon eine Besonderheit.
Julius Hirsch war Jude und kam im nationalsozialistischen Holocaust ums Leben. Seine Geschichte ist doch sicherlich auch eine Mahnung an uns in der heutigen Zeit, oder?
Unser Problem ist heutzutage, dass Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit an vielen Stellen wieder anfangen, salonfähig zu werden. Wenn solche Positionen wieder im Bereich des Sagbaren liegen, wird es schwieriger, dagegen zu wirken.
Blau-Weiss statt Braun äußert sich sehr deutlich zu diesen Themen. Bekommen Sie dafür nur Zuspruch?
Wir bekommen natürlich auch manchmal Kritik zu hören. Aber in der großen Mehrheit erfahren wir hier in Karlsruhe tatsächlich sehr viel Unterstützung. Man muss einfach mit den Leuten reden, sie informieren. Ein Beispiel ist Julius Hirsch. Wir erklären dann, warum wir die Infomaterialien ausstellen und für was wir uns generell einsetzen.
Erinnerungsarbeit ist deswegen wichtig, sage ich immer, dass man sieht, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden und dass man diese nicht nochmal macht. Das kann ich nur durch Aufklärung erreichen. So wie wir das machen, ist das finde ich sehr erfolgreich. Wir legen auch manchmal den Finger in die Wunde, zum Beispiel bei einer Veranstaltung zum Bildhauer, der den Nackten Mann gestaltet hat (Emil Sutor, NSDAP-Mitglied – Anm. d. Redaktion). Sowas muss man offen thematisieren und einhaken, um Tendenzen heute im Keim zu ersticken.
Sie sind Partner im Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Karlsruhe und noch in einigen weiteren Netzwerken wie dem Netzwerk gegen Rechts oder der Initiative Nie wieder!. Was schätzen Sie an dieser Zusammenarbeit?
Netzwerkarbeit ist das A und O, finde ich. Es dient uns dazu, Ideen zu bekommen, Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen und Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Gemeinsam müssen wir Aufklärung betreiben und vor allem Stellung beziehen. Außerdem haben wir gelernt, dass man als Demokraten ansprechbar sein muss. So wie wir im Wildpark. Wir suchen die Zusammenarbeit, zum Beispiel ganz konkret mit dem Fanprojekt oder der Fanbetreuung. Nur dann erfährt man von problematischen Situationen und kann abwägen, wie man dagegen vorgeht.
Karlsruher Stimmen
Das Interview führte Luca Wernert im September 2024. In der Reihe Karlsruher Stimmen lässt das Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Karlsruhe Personen aus der Region zu Wort kommen, die aus einem ganz persönlichen Blickwinkel auf Demokratie und Menschenrechte schauen. Hier ist Platz für Meinungen und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht. Alle Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner eint der gemeinsame Einsatz für unsere Demokratie und die unumstößlichen Menschenrechte.